Segerporzellan-Vase mit roter Kunstglasur, KPM Berlin um 1885

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  • Historismus / Japonismus
  • Rudolf Schenker
  • Jugendstil
  • Lotosblüte
  • Kirschblüte

Beschreibung

Segerporzellan-Vase mit roter Kunstglasur, reichhaltiger Golddekoration und türkis-blauer Emailmalerei (Schauseite: Zweig mit Blättern und Beeren, zwei japanische Zierfische, Rückseite: stilisierte Zweige mit blühender Chrysantheme), KPM Berlin um 1885

Höhe 30,8 cm
Marken Zepter über Sgr. P. in Unterglasurblau; 107 in Aufglasurrot; Pressmarken S und 17

Segerporzellan
Die vorgestellte Vase zeigt in exemplarischer Art und Weise das neuartige Zusammenspiel von Form, Glasur und Dekor in den von der asiatischen (hier: japanischen) Keramik inspirierten, technisch von Hermann Seger entwickelten Erzeugnissen der KPM Berlin ab 1880, den sogenannten Segerporzellanen:
„Das „Segerporzellan“ ist ein Weichporzellan, auf dessen Zusammensetzung Seger 1880 durch die Untersuchung japanischer Porzellanscherben kam. Es besteht aus 25 Teilen plastischem Steinzeugton, 45 Teilen Quarz und 30 Teilen Feldspat. Somit ist es ärmer an Tonsubstanz und flußmittelreicher als das Hartporzellan, das aus 50 Teilen Kaolin, 25 Teilen Quarz und 25 Teilen Feldspat besteht. Die Zusammensetzung des Segerporzellans läßt es bereits bei 1250–1300°C gutbrennen, während Hartporzellan einen Brand von etwa 1500°C benötigt. Auf der Grundlage dieses Porzellans mit verhältnismäßig niedrigem Schmelzpunkt gelang Seger eine für die europäische Keramik umwälzende Entdeckung, nämlich die Herstellung farbiger Glasuren, insbesondere der damals nur aus Ostasien bekannten „sang-de-bœuf“-Glasur. Die erfolgreichen Versuche mit farbigen Glasuren eröffneten dann den Weg zur Ausarbeitung einer bis dahin unbekannten Unterglasurpalette, die für den Jugendstil von größter Bedeutung werden sollte.“[1]

Segerporzellane, deren mannigfachen Kunstglasuren bereits als eigenständige Dekore galten, erhielten in der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin so gut wie nie eine eigene Malereimarke, auch wenn sie wie hier ausgiebig in Goldmalerei und polychromen Emailfarben verziert wurden.

Japonismus
Nachdem sich Japan ab den 1850er Jahren langsam aber stetig geöffnet und ausländische Besucher und Kaufleute ins bis dato isolierte Land gelassen hatte, kam es in den folgenden Jahrzehnten zu einem befruchtenden Austausch zwischen der japanischen und europäischen Kultur. Insbesondere französische Reisende sorgten nach ihrer Rückkehr für eine Verbreitung des japanisches Kunstgeschmacks. Die Pariser Weltausstellung von 1878 spielte in der weiteren Popularisierung des nun „Japonismus“ genannten Stils eine bedeutende Rolle. An der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin sorgte neben Hermann Seger mit seinen Kunstglasuren auch Rudolf Schenker wenig später für asiatisch-japanisch inspirierte Dekorentwürfe. Mit stilisierten Darstellungen von Kirsch- und Lotosblüten in imitierter cloisonné-Technik, die auf einer einfarbigen Kunstglasur aufgebracht wurden und mit asiatisch anmutenden, in Gold- und/oder Platin gestalteten Fantasieornamenten veredelt wurden, gestaltete Schenker von Japan beeinflußte, doch ganz in der europäischen Porzellantradition stehende Kunstobjekte.

Dekor
Mit ihren stilisierten Darstellungen von Fischen und Pflanzen nimmt die hier gezeigte Segerporzellan-Vase mit roter Kunstglasur  – wie auch in Glasur und Form – Bezug auf asiatische Vorbilder:
Das exotisch anmutenden Fischepaar auf der Schauseite der Vase deutet eindeutig in Richtung Ostasien. Der Fisch wird in China aufgrund seiner Namensähnlichkeit zu Überfluss/Reichtum/Wohlstand als Glückssymbol verstanden. Möglicherweise verweist die drachenartige Gestaltung auf die alte chinesische Überlieferung, die die lange Reise eines alten Karpfens den Gelben Fluß hinauf Richtung Long Men und seine anschließende Metamorphose zum mächtigen Drachen beschreibt.[2] Auch die in Japan beliebte Koizucht erlebte zur Herstellungszeit der Vase in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine erste Höhephase.

Die Chrysanthemen (Chrysanthemum) sind eine Pflanzengattung der Familie der Korbblütler (Asteraceae).[3] Die über 40 Arten sind hauptsächlich in Ostasien verbreitet. Die Garten-Chrysantheme wird in China seit 1600 Jahren kultiviert; bereits im elften Jahrhundert gab es dort 36 Sorten. Ende des 17. Jahrhunderts kamen erstmals Chrysanthemen nach Europa, 1862 sandte Robert Fortune Kulturformen aus Japan nach Europa, die zur Grundlage der europäischen Chrysanthemenzüchtung wurden. Eine stilisierte 16-blättrige Chrysanthemenblüte ist das nationales und kaiserliches Siegel Japans.

Fußnoten:
[1] Irene von Treskow, Der Übergang zum Jugendstil: Kunstglasuren auf Seger- und Heineckeporzellan – Die Segerporzellane, in: Dieselbe, Die Jugendstil-Porzellane der KPM Berlin, München 1971, 15.
[2] Vgl. https://www.bambooblog.de/schriftzeichen-fisch/#Wie_der_Fisch_zum_Drachen_wurde, abgerufen am 7. Januar 2021.
[3] Vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Chrysanthemen, abgerufen am 7. Januar 2021.