Kratervase Rheden’scher Form mit Satyrköpfen und Alpenveduten, KPM Berlin um 1815

Beschreibung

Äußerst rare Kratervase Rheden’scher Form mit Satyrköpfen
mit seltenen Veduten von Stätten der Grand Tour
in den Schweizer und Französischen Alpen

Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin um 1815

Modellnummer 1340
Erstausformung 1805
Höhe 30,5 cm
Marken Zepter in Unterglasurblau, Unterstrich in Aufglasurorange, I. in Aufglasurbraun


Das Modell:
Im Modellbuch der KPM erschien das hier vorgestellte Modell 1805, kurz nach der Rückkehr von Direktor Friedrich Philipp Rosenstiel von einer Dienstreise nach Paris, von der er einige Modelle der französischen Manufakturen mitbrachte, nach deren Vorbild dann in Berlin Formen entstanden. Bei der Erstbestellung wurde das Modell so bezeichnet: Vase als Blumen Topf mit Satir Henkell, Königliche Bestellung für den Consull Bonupart[1].
Die bärtigen Maskarone an den Henkeln gehen ursprünglich auf die sogenannte Borghese-Vase zurück, eine attische Marmorvase aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. die im 1569 in Rom wiederentdeckt und im Anschluß grafisch reproduziert wurde. 1808 gelangte die 1,72 m hohe Vase aus der Familie Borghese in den Besitz Napoleons und wird seit 1811 im Pariser Louvre ausgestellt.
Das später Kratervase Rheden’scher Form mit Satyrköpfen benannte Modell wurde nur äußerst selten ausgeformt. Der Forschung sind bis jetzt lediglich vier publizierte Exemplare bekannt:

a) Vase mit Porträt der Königin Luise von Preußen, nach Schröder, 1805–10, Höhe 30,3 cm, in: Ploetz-Peters, Luise von Preußen – Ein Mythos, in: Keramos 156/1997, Abb. 5. Privatbesitz Berlin.

b) Vasenpaar mit vier Genien der Tageszeiten nach Rafaels Horen, 1805–13, in: Kat. Sammlung Werner des Johanniterordens, Berlin 1995, 28 und Aust.Kat. Berlin und die Antike, Berlin 1979, Nr. 490/491, S. 259, hier die Höhe wohl falsch mit 41 cm angegeben. Aus der Sammlung des Johanniterordens Berlin.

c) Zweite Vase mit Porträt der Königin Luise von Preußen, nach Schröder, um 1804, in Röthel imitierender Malerei. Schloß Ehrenburg, Coburg.

Alle vier Vasen sind mit Malereien versehen, die kostbare Steine imitieren: (a) mit rosafarbenem Breccia di Settebasi (Skyros-Marmor) und Lapislazuli-Streifen, b) mit Lapislazuli und rosalüstrierten Maskarons), c) mit lachsfarbenem Marmor und Lapislazuli-Streifen. In diese Serie ist auch der hier gezeigte Krater mit seiner ungewöhnlichen Schwarzglasur einzuordnen, auch wenn die Markierung ihn als wenige Jahre später entstanden ausweist.

Die Ansichten:
Bei den beiden Alpen-Veduten handelt es sich um zuvor auf KPM-Porzellan nicht bekannte Ansichten von typischen Anlaufstätten der sogenannten Grand Tour, der Kavalierstour oder Bildungsreise junger Adliger – später auch gehobener Bürgersöhne und -töchter – besonders des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. Während die Gletscher am Mont Blanc bei Chamonix an der Grenze zwischen Frankreich und Italien seit jeher zu den bevorzugten Orten gehört hatten, die man gesehen haben mußte, entwickelten sich die Schweizer Naturschönheiten erst Ende des 18. Jahrhunderts zum eigenen Reiseziel.

Den Manufakturmalern in Berlin lagen wohl grafische Darstellungen der Bergansichten vor, die auf dieser außergewöhnlichen Vase verewigt wurden:

  1. a) „Unter-Gletscher, ou Glacier inférieur de la Vallé du Grindelwald, Canton de Berne“, nach einer Radierung von Claude Mathieu Fessard, um 1780

Ansicht des Unteren Grindelwaldgletschers im Berner Oberland aus dem Grindelwaldtal gesehen: In der linken Bildhälfte ist der Untere Grindelwaldgletscher zu sehen, mit dem darüber liegenden, weissblauen Ischmeer, über dem die Fiescherwand und die drei Fiescherhörner (Großes, Hinteres und Kleines (auch Ochs genannt)) thronen. Rechts erheben sich ein namenloser Gipfel und die Ostegg, der östlichste Ausläufer des Eigers. Die Ansicht wird ganz links vom Gebirgskamm Bänisegg abgeschlossen.

  1. b) „Vue de Servoz, de l’Aiguille du Gouté; et du Glacier de Bionnassey“, nach einer Radierung des Jean Antoine Linck (1766–1843), um 1795

Ansicht des Dorfes Servoz am Fuße des Mont-Blanc-Massivs in den Savoyer Alpen vom Nordwesten: Der Blick geht über das Dorf Servoz mit seiner Kirche Saint-Loup am Ufer des Flusses Arve in Richtung des Mont-Blanc-Massivs. In der Ferne ragen die Gipfel des Dôme du Goûter (links) und der Aiguille de Bionnassay (mittig) auf.

Der Dekor:
Fuß und Vasenbauch sind mit einer äußerst seltenen schwarzen Glasur versehen, auf der oben und unten jeweils ein goldgraviertes Lorbeerblätterband aufgelegt ist. Die beiden Alpenveduten erscheinen in antikisch-stilisierten Goldreserven, Über den Henkeln und auf dem oberen Rand winden sich goldene Arabesken auf aprikosenfarbigem, über den Ansichten auf weißem Fond. Die Zwickel des kleinen Postaments tragen stilisierten Anthemion-Dekor in Gold. Selbst der obere Innenrand der Vase ist auf mattem Goldgrund mit vegetabilen Radierungen geschmückt, die die goldenen Blätterbänder auf schwarzem Grund aufnehmen.

Der Auftrag:
Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei der Vase um eine Auftragsarbeit eines bislang unbekannten Bildungsreisenden zur Erinnerung an dessen Grand Tour. Sowohl das Modell als auch die Alpen-Veduten und die Schwarzglasur weisen diese Kratervase Rheden’scher Form mit Satyrköpfen als äußerst seltenes Belegstück der KPM-Produktion um 1815 aus.


[1] Vgl. Samuel Wittwer, Die Berliner Porzellan-Manufaktur KPM zu Beginn des 19. Jahrhunderts und ihre Werke im europäischen Kontext, in: Ausst.Kat. Raffinesse & Eleganz. Königliche Porzellane des 19. Jahrhunderts aus der Twinight Collection New York, München 2007, 87.