Beschreibung
Büste Prinzessin Marie von Preußen aus Biskuitporzellan
Prinzessin Carl von Preußen, geb. Marie von Sachsen-Weimar-Eisenach (1808–1877),
nach Ludwig Wichmann (1788–1859) 1829
Ausführung KPM Berlin um 1830,
nach einer Marmorbüste von Ludwig Wichmann (1788–1859) 1829
Marke Zepter in Unterglasurblau (um 1830)
Höhe 32,4 cm
Ohne Modellnummer
Im Jahr 1829, zwei Jahre nach ihrer Hochzeit mit Prinz Carl von Preußen, dem dritten Sohn Friedrich Wilhelms III., schuf der berühmte Berliner Bildhauer und Akademieprofessor Ludwig Wichmann eine Marmorbüste der 21jährigen Marie (eigentlich Maria Louise Alexandrine) von Preußen. Dieses anmutige Porträt der Prinzessin wurde auf der Akademieausstellung 1830 unter der Nummer 851 als Marmor: Büste Ihrer Königl. Hoheit der Prinzessin Karl von Preußen der Öffentlichkeit präsentiert.[1] Wichmann zeigte die junge Prinzessin mit leicht in sich gekehrtem Blick und modischer Frisur mit am Hinterkopf zusammen gebundenem Tuff. Der prächtig ausgearbeitete Blumenkranz und die strenger gehaltenen, mittig gescheitelten Locken unterscheiden Marie von ähnlichen Darstellungen der Zeit, etwa Wichmanns Porträt der Sängerin Henriette Sonntag (1827) oder Christian Friedrich Tiecks Bildnis der Kronprinzessin Elisabeth (1824).[2]
Die circa 60 cm hohe Marmorbüste gilt heute als verschollen. In der Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin hat sich lediglich ein gefaßter Abguss wohl aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhalten, der dort – ebenso wie die Büste des Fürsten Radziwill, die Gronert Kunsthandel Berlin ebenso in einer Version aus Biskuitporzellan anbietet – fälschlicherweise Ludwigs älterem Bruder Karl Friedrich zugeordnet wird.
Während den Kopf der originalen Marmorversion ein Blumenkranz zierte, trägt die hier gezeigte Porzellanbüste einen zweifach profilierten Haarreifen. Kurioserweise ist die ungewöhnlich hohe Arbeit aus Biskuitporzellan und glasiertem Sockel mit Goldlinien nicht im Modellbuch der Manufaktur verzeichnet. Warum auf einen Eintrag verzichtet wurde, kann nur vermutet werden. Möglicherweise handelte es sich um eine einmalige Ausformung, die nicht in die serielle Produktion gehen sollte, beispielsweise als Geschenk vom König an seine Schwiegertochter oder seinen Sohn.
Die zweite Biskuitvariante dieser Büste, diesmal mit dem originalen Blumenkranz ausgeführt, konnte Gronert Kunsthandel Berlin vor einigen Jahren anbieten und in eine wichtige Privatsammlung vermitteln (Abb. 7). Auch diese Version war im KPM-Modellbuch nicht verzeichnet.
Ludwig Wilhelm Wichmann war in der Zeit um 1830 einer der gefragtesten Porträtististen der Berliner Gesellschaft.[3] Ab 1800 – mit Unterbrechungen und in unterschiedlichem Umfang bis 1826 – hatte er als Schüler und Assistent im Atelier des großen Johann Gottfried Schadow gewirkt, 1809 bis 1813 in Paris bei François Bosio und Jacques-Louis David gelernt. Ab 1818 arbeitete er eng mit Karl Friedrich Schinkel, Christian Daniel Rauch und Christian Friedrich Tieck zusammen, u.a. am prestigeträchtigen Nationaldenkmal auf dem Kreuzberg, für das er zwei eigene Genien entwarf und sechs weitere seiner beiden Kollegen ausführte. 1819/20 verbrachte er einige Zeit in Italien, nach seiner Rückkehr etablierte er sich in einem gemeinsamen Atelier mit seinem älteren Bruder Carl Friedrich. Gemeinsam mit Rauch und Tieck zählte er bald zum Triumvirat der Berliner Bildhauerschule und unterhielt beste Beziehungen zum Hof und dem aufstrebenden gehobenem Bürgertum. Im Kulturleben der Stadt war er als beliebter Zeitgenosse und angesehener Künstler bekannt.
Zu den von Ludwig Wichmann in der Zeit 1827–1838 dargestellten Persönlichkeiten zählten: die Sängerin Henriette Sonntag, der Philosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel, Fürst Wilhelm Malte zu Putbus, Fürstin Auguste von Liegnitz, der Rechtsgelehrte Friedrich Carl von Savigny, Staatsminister Karl von Altenstein, Fürst Anton von Radziwill, Generalchirurg, Geheimer Obermedizinalrat und Charité-Leiter Johann Nepomuk Rust, Generalstabsarzt Dr. Johann Wilhelm von Wiebel, Prinzessin Elise von Radziwill, der Maler Franz Krüger, sein Schwiegervater der Tonwarenfabrikant Tobias Christian Feilner, der Komponist Carl Friedrich Rungenhagen, Staatsminister Jean Pierre Frédéric von Ancillon und Kriegsminister Job von Witzleben.
Die erste Verbindung zwischen Wichmann und der Königlichen Porzellan-Manufaktur hatte es noch vor seinem Italien-Aufenthalt um 1818/19 gegeben als der Künstler gemeinsam mit seinem Kollegen Emil Wolff als Assistent in der Werkstatt Johann Gottfried Schadows an den Porzellanplastiken, speziell den Flussgöttern, zum Tafelaufsatz für den Herzog von Wellington mitgearbeitet hatte.[4]
Etwa zur Entstehungszeit unserer Büste um 1830 gab die KPM Berlin dann mindestens zwei weitere Arbeiten Wichmanns in Biskuitporzellan heraus:
eine 19,3 cm hohe Büste seines Porträts der Fürstin Liegnitz von 1830 (Modellnummer 1438/ Taxnummer 5,457) und eine auf 25 cm verkleinerte Replik des 66 cm hohen Marmorbildnisses des Fürsten Radziwill (heute im Schinkel-Pavillon, bei der KPM im Entstehungsjahr 1833 unter der Modellnummer 1677 erschienen). In den 1840er folgten noch Büsten Sr. Exzellenz des Ministers v. Ancillon (1842, Modell 1780, nach dem Marmor von 1838) und Georg Friedrich Wilhelm Hegels (1843, 1790, der Marmorkopf von 1826 heute im Stadtmuseum Berlin).
Auch weitere Familienmitglieder der Weimarer Prinzessin Marie wurden in der Berliner Manufaktur in Biskuitporzellan verewigt:
Bereits 1825 wurde eine lebensgroße Figur von Prinz Carl von Preußen im Modellbuch verzeichnet (Nr. 1579). 1833, resp. 1840 folgten Büsten ihres Vaters des Großherzogs Carl Friedrich von Sachsen-Weimar-Eisenach (1650, 22,8 cm im Modell) und ihrer Mutter der Großfürstin Maria Pawlowna Romanowa (1724, 37,9 cm im Modell). Die Bildhauer dieser drei Porträts sind leider unbekannt, bei den Eltern Maries kann Christian Friedrich Tieck vermutet werden. Ab den 1850er Jahren folgten dann einige Porzellanbildnisse ihrer jüngeren Schwester, der Kronprinzessin und späteren Königin und Kaiserin Augusta, die 1829 Carls älteren Bruder Wilhelm geheiratet hatte.
Schon kurz vor Maries Hochzeit war der große Porträtist und Medailleur Leonhard Posch im Februar 1827 nach Weimar gereist und hatte ein Bildnis der Prinzessin modelliert, das sowohl in KPM-Porzellan erschien als auch in der Gleiwitzer Hütte in Eisen gegossen wurde (Abb. 8).[5]
[1] Vgl. Helmut Börsch-Supan (Hrsg.), Die Kataloge der Berliner Akademie-Ausstellungen, 1786–1850. Band 2, Berlin 1971, 1830, S. 84, Nr. 851.
[2] Abb. in. Ethos und Pathos – Die Berliner Bildhauerschule 1786–1914, Ausst.Kat., Berlin 1990, Nr. 294, S. 345 (Sonntag), resp. Nr. 269, S. 316 (Elisabeth).
[3] Vgl. Dr Jan Mende, Ludwig Wichmann, der Dritte im Bunde. Ein Berliner Bildhauer der „klassischen“ 1820er Jahre, in: Der Bär von Berlin (Jahrbuch 2020 des Vereins für die Geschichte Berlins) 69 (2020), 57–80.
[4] Vgl. Dorothee Heim, Die Berliner Porzellanplastik und ihre skulpturale Dimension 1751–1825, Regensburg 2016, Kat. 155, S. 565.
[5] Das Porträt diente als Vorlage für die Hochzeitsmedaille und wurde außerdem auch in Wachs und Elfenbein (von Gustaph A. Gerber) geschnitten. Vgl. Annette Forschler-Tarrasch, Leonhard Posch 1750–1831, Berlin 2002, Nr. 174, S. 88.











