Jean Louis Wensel, Ölgemälde „Ophelia“ um 1871

Beschreibung

Jean Louis Wensel (Mölln 1825 – Berlin 1899)
Ophelia um 1871

Öl auf Leinwand, 74 x 59 cm
rechts unten und verso signiert J. L. Wensel pinxt

 

Das ausdrucksstarke Ölgemälde entstand um 1871 nach Wensels Umzug von Basel nach Hamburg, wurde dort ausgestellt und verhalf ihm in der Hansestadt zu schneller Anerkennung.[1]
Die Entwurfszeichnung zu dem Bild befindet sich in der Sammlung des Kreismuseums Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg (Inventarnummer 66).[2]

[1] Siehe Klaus J. Dorsch, Werke von Jean Louis Wensel im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg, 23/24, auf: http://www.kmrz.de/kuenstler_im_kreis/wensel/wensel_text.htm, abgerufen am 4. Oktober 2021.
[2] Siehe ebenda, 23.

Motiv:
Jean Louis Wensel zeigt eine der Hauptfiguren aus William Shakespeares Drama Hamlet in einer Szene, die im Schauspiel nur indirekt erzählt wird:
Die junge Adlige Ophelia, die zukünftige Ehefrau des Dänenprinzen Hamlet, ist dem Wahnsinn verfallen, nachdem sie erfahren hat, daß dieser ihren Vater Polonius getötet hat. Der Maler wählt für seine Darstellung den Moment kurz bevor Ophelia ins Wasser stürzt und ertrinkt. In seinem Bild bezieht er sich detailreich auf den Text Shakespeares (Weidenbaum, Blumenkränze, gesenkte Äste, siehe unten).

In Akt IV, Szene 7 verkündet Hamlets Mutter Gertrude, Königin von Dänemark, Laertes, dem älteren Bruder Ophelias, deren Tod in einer bewegenden Rede, die als eine der poetischsten in Shakespeares Werk beschrieben wurde:

KÖNIGIN GERTRUDE

Es neigt ein Weidenbaum sich übern Bach

Und zeigt im klaren Strom sein graues Laub,

Mit welchem sie phantastisch Kränze wand

Von Hahnfuß, Nesseln, Maßlieb, Kuckucksblumen,

Die dreiste Schäfer derber wohl benennen,

Doch unsre Mädchen Toten-Mannes-Finger.

Dort, als sie aufklomm, um ihr Laubgewinde

An den gesenkten Ästen aufzuhängen,

Zerbrach ein falscher Zweig, und nieder fielen

Die rankenden Trophäen und sie selbst

Ins weinende Gewässer. Ihre Kleider

Verbreiteten sich weit und trugen sie

Sirenen gleich ein Weilchen noch empor,

Indes sie Stellen alter Weisen sang,

Als ob sie nicht die eigne Not begriffe,

Wie ein Geschöpf, geboren und begabt

Für dieses Element. Doch lange währt‘ es nicht,

Bis ihre Kleider, die sich schwer getrunken,

Das arme Kind von ihren Melodien

Hinunterzogen in den schlammigen Tod.

Der Tod der Ophelia ist in der Kunstgeschichte von bedeutenden Künstlern gemalt worden. Zu diesen gehören u.a.: Eugène Delacroix (1838), John Everett Millais (1852) und John William Waterhouse (1894). Speziell die englischen Präraffaeliten und spätromantisch-französische Akademiemitglieder waren fasziniert von Shakespeares Figur und ihrem tragischen Schicksal. Wensels Darstellung ist ein seltenes Beispiel für die Beschäftigung eines deutschen Künstlers mit dem Topos.

 

Provenienz:
Im Besitz des Künstlers bis zu seinem Tode;
durch Erbschaft an seine Tochter Thorwalda Wensel, Mölln;
Privatsammlung Mölln, Schleswig-Holstein.

Literatur:
Klaus J. Dorsch und Christian Lopau, Jean Louis Wensel (1825 – 1899) und seine Spuren im Herzogtum Lauenburg, auf: http://www.kmrz.de/kuenstler_im_kreis/wensel/wensel_text.htm

Ausst.Broschur Der Maler, Zeichner, Dichter und Photograph Jean Louis Wensel (1825-1899) und seine Spuren im Herzogtum Lauenburg – Zur Sonderausstellung anläßlich des 100. Todestages Wensels im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg. 25. 6. bis 15. 10. 1999.

P. Bruhns, J. L. Wensel, in: Lauenburgische Heimat 1926, Heft 2, S. 44.f

Kurt Langenheim, Eine Station im Künstlerleben des Malers Joh. Ludolf Wensel aus Mölln, in: Lauenburgische Heimat N.F. Heft 81 (1984), S. 57-60.

 

KURZBIOGRAFIE DES JEAN LOUIS WENSEL [3]

Am 12. Februar 1825 in der lauenburgischen Stadt Mölln als Johannes Diedrich Friedrich Wensel geboren. Nach der Schulzeit Malerlehre beim Vater Johann Heinrich Wensel, beispielsweise geht er ihm bei Restaurierungsarbeiten in der Kirche St. Nicolai zur Hand

1851-54 Kunststudium an der Akademie in Kopenhagen, nebenbei Blumenmaler an der Königlichen Porzellanmanufaktur Kopenhagen; hier wohl Annahme des Künstlernamens Jean Louis und erste Portraits einflussreicher Herrschaften

1855 wieder Bürger in Mölln

1856 Heirat mit Wilhelmine Harring aus Sehestedt

1856–67 Umzug nach London, dort als Portraitfotograf tätig; Reise nach Siam

1857 Geburt der Tochter Thorwalda

1869-70 Aufenthalte in der Schweiz und Italien; Wohnungen in Basel und Mülhausen im Elsass

1871 Umzug nach Hamburg, wiederholt Besuche im Lauenburgischen

1872–1876 Arbeit an elf Panoramabilder über die Zweite Deutsche Nordpolar-Expedition in den Jahren 1869–1870

1878 Umzug nach Berlin; Portraitgemälde für höchste Kreise

Am 1. Juli 1899 verstirbt Jean Louis Wensel in Berlin

[3] Nach: http://www. https://herzogtumlauenburgmuseum.de/wp-content/uploads/2022/11/Jean-LouisWensel.pdf, abgerufen am 26. Februar 2024.