Jean Louis Wensel, „Am Kenia“ (Die deutsche Emin-Pascha-Expedition am Mount Kenia), 1891

Beschreibung

Jean Louis Wensel (Mölln 1825 – Berlin 1899)

Am Kenia
(Die deutsche Emin-Pascha-Expedition am Mount Kenia), 1891

Öl auf Leinwand
41,5 x 67 cm
links unten signiert „J. L. Wensel“
verso erneut signiert „J. L. Wensel pinxit Berlin“
im originalen vergoldeten Holz- und Stuckrahmen


Die deutsche Emin-Pascha-Expedition
Der deutsche Arzt und Forscher Eduard Schnitzer verwaltete unter dem Namen Emin Pascha viele Jahre lang im Auftrag der ägyptischen Regierung Gebiete in Ostafrika. Nachdem der Mahdi-Aufstand ihn von der Verbindung mit Europa abgeschnitten hatte, wurde von England aus 1888/89 unter der Leitung von Morton Stanley eine Rettungsexpedition gestartet. Eine zweite, die sogenannte „deutsche Emin-Pascha-Expedition“ unter dem Präsidenten der kurz zuvor gegründeten „Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft“ (DOAG) Carl Peters brach im Juni 1889 in Sansibar auf und zählte lediglich 21 Soldaten und 85 einheimische Träger. Bis zum Februar des folgenden Jahres zog die Gruppe plündernd und gewalttätig dem Fluss Tana folgend ins Landesinnere Kenias bis zum Viktoriasee. Unter anderem massakrierten Peters Männer Angehörige der Massai und brannten deren Dörfer nieder (Kämpfe bei Elbejet). In Uganda schloß Peters eigenmächtig einen Vertrag mit König Mwanga II. von Buganda um dem Deutschen Reich weitere Kolonialgebiete zu bescheren, dieser Uganda-Vertrag wurde jedoch durch den deutsch-britischen Helgoland-Sansibar-Vertrag vom 1. Juli 1890 nichtig. Auf dem Rückweg nach Sansibar traf Peters schließlich noch Emin Pascha, der bereits im April 1888 von Stanley angetroffen worden war und sich nie in ernster Gefahr befunden hatte.

Das Ölgemälde „Am Kenia“
Das Gemälde zeigt das Lager der Expedition auf dem Leikipia-Plateau am Fuße des Mount Kenia nach dem ersten Überfall auf die Massai. Peters steht im Vordergrund am Flussufer.
Zum Motiv und seinen Einzelheiten berichtete die Berliner Börsen-Zeitung anlässlich der Präsentation des Gemäldes am 12. Juli 1891 in der Galerie Gurlitt:
In der Kunsthandlung von Gurlitt (Behrenstraße) ist zur Zeit ein größeres Gemälde des bekannten Landschafters J. L. Wensel ausgestellt. Dasselbe „Am Kenia“ betitelt, stellt eine Episode aus der Deutschen Emin Pascha-Expedition dar und ist nach Photographieen (sic!), Beschreibungen und persönlichen Angaben des Dr. Carl Peters hergestellt. Der Kenia – nach dem Glauben der Massai, der ewige Sitz der Gottheit – einst ein Krater, einer der ältesten Bergriesen der Erde, der mit seinem, mit Eis gepanzerten, 2300 Fuß hohen Bergkegel weithin das Land beherrscht. Das Gemälde zeigt uns den Berg in abendlichem Lichte, umringt von schweren, sich zu gewaltigen Massen aufthürmenden Gewitterwolken, – wie solche sich unter der tropischen Sonne oft spät am Tage ausbilden, im Mittelgrunde „das Lager auf dem Leikipa-Plateau“ (2200 m hoch). Nahe dem Ufer, jenseits des Gebirgsflusses, im hohen, von der tropischen Hitze verbrannten Gras, steht Dr. Peters, schußbereit, sein treuer Begleiter, Hussein, Anführer der Somali, eilt ihm besorgt zu Hilfe. Weiter zurück, dem Lager näher, steht Lieutenant von Tiedemann, das Eintreiben der Heerde (sic!) anordnend. Ganz im Vordergrunde, rechts, schleichen und kriechen 7 Massai, welche, nachdem Dr. Peters die Massai in einem großen und blutigen Gefecht besiegt, ihren Kraal verbrannt und ihnen 2000 Thiere abgenommen, die Expedition am Laufe des Guaso Nyiro verfolgen. – Das Gemälde, welches besonders eine bedeutende Farbentechnik verräth, hinterläßt einen ungemein stimmungsvollen Eindruck.

Carl Peters
Peters gilt als einer der frühesten und engagiertesten Verfechter einer eigenen Kolonialpolitik des Deutschen Reiches. Er engagierte sich ab 1884 in zahlreichen privaten Gesellschaften vor Ort für deutsche Gebiete in Ostafrika; Seine Besetzungen und Verhandlungen als „Quasi-Gründer“ der Kolonie Deutsch-Ostafrika wurden 1885 von Kaiser Wilhelm II. per Schutzbrief legitimiert. Gleichzeitig wird Carl Peters als brutalster und moralisch skrupellosester Kolonialherr seiner Zeit im östlichen Afrika, 1891/92 u.a. als offiziell eingesetzter Reichskommissar für das Kilimandscharogebiet, beschrieben. Seine durch persönliche Willkür und Herrenmenschendenken geprägte grausame Amtsführung machte auch vor Morden und Kollektivstrafen ganzer Dörfer nicht Halt. 1892 wurde er daher nach Deutschland zurückbeordert, wo ihm vor dem kaiserlichen Disziplinargericht der Prozeß gemacht wurde, der schließlich 1897 mit seiner unehrenhaften Entlassung aus dem Staatsdienst endete. Im Nationalsozialismus galt der zuvor verfemte aber bald als deutscher Kolonialheld und früher Vertreter der eigenen – menschenverachtenden – Ideologie.
Im selben Jahr, in dem Wensels Bild entstand, erschienen 1891 auch die Erinnerungen Carls Peters‘ an die Expedition in Buchform („Die deutsche Emin Pascha Expedition“). Seine extreme Brutalität im Umgang mit den afrikanischen Einwohnern des deutschen Schutzgebietes war zu dieser Zeit noch nicht umfänglich bekannt.

Vorlagen
Im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg haben sich drei Studien Wensels erhalten, die den Expeditionsleiter Carl Peters mit Gewehr zeigen (Inv.Nr. 257–259).

Ausgestellt:
Galerie Gurlitt, Juli 1891 in Berlin (vgl. Beilage der „Berliner Börsen – Zeitung“, Nr. 319 vom 12. Juli 1891, S. 6);
Sonderausstellung anläßlich des 100. Todestages Wensels im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg, 25. Juni 1999 bis 15. Oktober 1999

Literatur:
Das geistige Berlin. Hrsg. von Richard Wrede und Hans von Reinfels. Berlin 1897, Band 1, S. 569 („Am Kenia“).
P. Bruhns, J. L. Wensel, in: Lauenburgische Heimat 1926, Heft 2, S. 44.f
Kurt Langenheim, Eine Station im Künstlerleben des Malers Joh. Ludolf Wensel aus Mölln, in: Lauenburgische Heimat N.F. Heft 81 (1984), S. 57-60.
Klaus J. Dorsch und Christian Lopau, Jean Louis Wensel (1825 – 1899) und seine Spuren im Herzogtum Lauenburg, auf: http://www.kmrz.de/kuenstler_im_kreis/wensel/wensel_text.htm
Ausst.Broschur Der Maler, Zeichner, Dichter und Photograph Jean Louis Wensel (1825-1899) und seine Spuren im Herzogtum Lauenburg – Zur Sonderausstellung anläßlich des 100. Todestages Wensels im Kreismuseum Herzogtum Lauenburg in Ratzeburg. 25. 6. bis 15. 10. 1999.

Provenienz des Gemäldes:
Im Besitz des Künstlers bis zu seinem Tode;
durch Erbschaft an seine Tochter Thorwalda Wensel, Mölln;
Privatsammlung Mölln, Schleswig-Holstein;
Gronert Kunsthandel Berlin

 

KURZBIOGRAFIE DES JEAN LOUIS WENSEL

Am 12. Februar 1825 in der lauenburgischen Stadt Mölln als Johannes Diedrich Friedrich Wensel geboren. Nach der Schulzeit Malerlehre beim Vater Johann Heinrich Wensel, beispielsweise geht er ihm bei Restaurierungsarbeiten in der Kirche St. Nicolai zur Hand

1851-54 Kunststudium an der Akademie in Kopenhagen, nebenbei Blumenmaler an der Königlichen Porzellanmanufaktur Kopenhagen; hier wohl Annahme des Künstlernamens Jean Louis und erste Portraits einflussreicher Herrschaften

1855 wieder Bürger in Mölln

1856 Heirat mit Wilhelmine Harring aus Sehestedt

1856–67 Umzug nach London, dort als Portraitfotograf tätig; Reise nach Siam

1857 Geburt der Tochter Thorwalda

1869-70 Aufenthalte in der Schweiz und Italien; Wohnungen in Basel und Mülhausen im Elsass

1871 Umzug nach Hamburg, wiederholt Besuche im Lauenburgischen

1872–1876 Arbeit an elf Panoramabilder über die Zweite Deutsche Nordpolar-Expedition in den Jahren 1869–1870

1878 Umzug nach Berlin; Portraitgemälde für höchste Kreise

Am 1. Juli 1899 verstirbt Jean Louis Wensel in Berlin

Nach: http://www. https://herzogtumlauenburgmuseum.de/wp-content/uploads/2022/11/Jean-LouisWensel.pdf, abgerufen am 28. April 2025.

Zu einem weiteren Gemälde Wensels im Angebot von Gronert Kunsthandel