Beschreibung
6er-Satz Porzellanteller aus einem Service
mit Veduten aus Mecklenburg-Strelitz und Berlin
aus einer Bestellung von Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz 1859/60
Königliche Porzellan-Manufaktur KPM Berlin 1859/60
- Neue Schloßkirche in Neustrelitz.
- Marktplatz zu Neustrelitz.
- Panorama auf Neustrelitz (Neustrelitz.)
- Jagdhaus Schweizerhaus bei Carpin (Großherzogl. Schweizerhaus.)
- Schloß Charlottenburg (Schloß in Charlottenburg.)
- Denkmal Friedrichs II. Unter den Linden Berlin (Friedrich II. Denkmal in Berlin.)
Modell: Englischglatt; Teller flach Größe 3
Modell-/Taxnummer: 631/1,1990
Marken auf der Rückseite: Zepter über Pfennigmarke in Unterglasurblau; Reichsapfel über KPM in Aufglasurrot; Dreieck in Aufglasurgold; Titel je in Aufglasurschwarz
Pressmarken: III und x (3x), resp. zwei Quadrate (3x)
Durchmesser: 24,8–25 cm
Dekor und Ornamentik:
Die Ansichten – vier Veduten aus Mecklenburg-Strelitz, zwei aus Berlin – im Spiegel werden jeweils von einem schmalen Band mit Reliefgoldakzenten gerahmt, darum liegt ein glanzgoldener Ring im Anstieg. Die Fahne trägt auf königsblauem Fond je sechs sich abwechselnde historisierende Goldtuschen (also insgesamt zwölf), die durch in geschwungenen Voluten endenen Bändern verbunden sind und von stilisierten Blüten und korrespondierenden Punktornamenten getrennt werden. Ein Rand in Glanzgold schließt den Teller nach außen ab.
Der Auftrag:
Die Teller entstammen einer zweiteiligen Bestellung von Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz, die dieser am 10. September 1859, respektive am 25. Januar 1860 bei der Königlichen Porzellan-Manufaktur Berlin in Auftrag gab. Dieser Satz von insgesamt 24 Tellern (erst mit zwölf mecklenburgischen Ansichten, dann mit zwölf aus Berlin) ist im manufaktureigenen Malerei-Bestellungsbuch 1859-1860 (KPM-Archiv des Landes Berlin, Aktensignatur 386) verzeichnet:
S. 227:
10. September 1859
2446. Großherzog von Mecklenburg. Strelitz. Zum 1. December.
12 engl. Teller flach 3. zu bemalen mit Landschaftl. Prospekten nach Maaßgaben des anliegenden Schreibens vom 5° d. Decoration nach Rücksprache. Abgeliefert 15. Debr.
S. 431:
25. Januar 1860:
443. Großherzog v. Mecklenburg-Strelitz. zum 10. Mai
12 engl. Teller flach No. 3 im ganzen Spiegel, bemalt m/ div. coul. Berlin. Ansichten nach Angabe in schönster sauberster Ausführung. Zur Dekoration dklblaues Band drauf goldgrav. Dekoration nebst Goldrand 4 & gold Steigebord, im Ganzen genau passend zu den unter N° 2446 gelieferten Tellern. Abgeliefert 12. Mai
Friedrich Wilhelm Buttel – Der Architekt der Strelitzer Bauten:
Die Veduten aus Neustrelitz und Umgebung präsentieren Bauten, die in der Regierungszeit von Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz, dem jüngeren Bruder der Königin Luise von Preußen, zwischen 1816 und 1860 entstanden oder signifikant umgebaut wurden. Georg und seine Frau Marie (geborene Prinzessin von Hessen-Kassel) waren ein kunst- und architekturbegeistertes Paar, dem die bauliche Erweiterung seiner Residenzstadt besonders am Herzen lag. So beförderte der Großherzog 1821 den kurz zuvor nach Neustrelitz gekommenen, erst 25jährigen Schinkel-Schüler Friedrich Wilhelm Buttel (1796–1869) zum Hofbaumeister (ab 1832 Baurat, ab 1860 Oberbaurat).
Buttel, am 1. Dezember 1796 im preußischen Zielenzig als Sohn eines Maurermeisters geboren, hatte zunächst 1813 den Beruf seines Vaters als Geselle abgeschlossen. Nach weiteren Privatstudien nahm er eine Arbeit als Feldmesser in Birnbaum an, ehe er als freiwilliger Jäger im Füsilier-Bataillon des 1. Pommerschen Infanterie-Regiments (Kronprinz von Preußen) an der letzten Schlacht der Befreiungskriege nahe Waterloo teilnahm. Für seine Tapferkeit ausgezeichnet, wurde er im Januar 1816 als Seconde-Lieutenant aus der preußischen Armee entlassen und kehrte zunächst in seinen Dienst als Feldmesser zurück. Ab November 1816 begann er in Berlin das Studium der Mathematik und besuchte ebenso die Akademie der Künste, wo er sich zum Architekten ausbilden ließ. 1817–19 bestand er wichtige Prüfungen in diesen Fächern und machte sein abschließendes Examen als Bau-Conducteur. In dieser Funktion beteiligte er sich unter der Direktion seines Lehrers und künstlerischen Vorbild Karl Friedrich Schinkel an einigen bekannte Bauvorhaben, so bis 1821 an der Überbrückung des Opern-Kanals, dem Neubau der Neuen Wache und dem Umbau des alten Doms am Lustgarten. Bereits Ende 1820 hatte den jungen Mann dann der Ruf nach Neustrelitz erreicht, wo er seinen Dienst als Nachfolger des verstorbenen Hofbaumeisters Wolf am 1. April 1821 begann, im Mai 1823 wurde er ins Hof-Marschallamt berufen.
Buttel zeichnete in den folgenden Jahrzehnten für alle wichtigen Bauprojekte, Restaurierungen und Umgestaltungen im Strelitzer Landesteil verantwortlich. Zu den nach seinen Plänen entstandenen Bauten in Neustrelitz zählen: das Rathaus, der Stadtkirchturm, die Orangerie, die Schlosskirche, der Marstall, das Marienpalais, das Carolinenpalais, das Landgerichtsgebäude, der Hebetempel, das neue Marktrondell, das Wäschespülhäuschen, die Kaserne, der Kornspeicher, die Kirche Zierke, der Kammerkanal, der Hafen und die Friedhofskapelle. Im Großherzogtum Mecklenburg-Strelitz entstanden außerdem unter anderem in Neubrandenburg die Marienkirche, das benachbarte Gymnasium und das Belvedere, die Stadtkirche in Fürstenberg, Schloss Semlow, das Rathaus Stargard, das Jagdschlösschen Schweizerhaus im Serrahner Wald, die Klosterkirche Malchow und viele weitere Kirchenneu- und -umbauten, auch Gutshäuser, Profan- und Wirtschaftsgebäude sowie Straßen und Alleen.
These:
Möglicherweise hängt die Bestellung mit der Ernennung von Friedrich Wilhelm Buttel zum Oberbaurat durch Großherzog Georg von Mecklenburg-Strelitz 1860 und/oder seiner Auszeichnung zum Ritter des Guelphen-Ordens durch Georg V., König von Hannover im selben Jahr zusammen. In diesem Fall handelte es sich um ein Geschenk des Großherzogs an seinen profiliertesten Architekten und Baumeister nach der Fertigstellung dessen Hauptwerkes, der Schlosskirche Neustrelitz im August 1859. Die zeitliche Nähe zwischen der Einweihung der Kirche am 12. August 1859 und der ersten Bestellung des Großherzogs Anfang September könnte für die Vermutung sprechen, daß die 24 Teller als persönliche Wertschätzung des Landesherrn an seinen Landesbaumeister zu werten sind. Bei den zwölf Berliner Ansichten könnte es sich um Lieblingsbauten des Architekten aus dessen Studienort handeln.
Selbstverständlich könnte Georg die Teller mit den Ansichten der markantesten Gebäude seines Hoheitsgebiets aber auch als künstlerischen Beweis seines eigenen erfolgreichen Wirkens als Mäzen der Architekturkunst für sich selbst oder seine Frau Marie bestellt haben. Bis zum Auffinden eines entsprechenden Beweises in den offiziellen Akten des Großherzogs oder im Nachlaß des Architekten bleiben beide Varianten möglich.
Die Darstellungen auf den sechs Tellern (so rückseitig bezeichnet):
a) Neue Schloßkirche in Neustrelitz
Die neugotische Schlosskirche wurde in den Jahren von 1855 bis 1859 nach Plänen von Friedrich Wilhelm Buttel erbaut. Sie gilt als ein Hauptwerk des Architekten, der sich beim Bau am gotischen Kloster im portugisischen Batalha und der Alexander-Newski-Kapelle im Park von Schloss Peterhof nahe Petersburg seines Lehrers Schinkel inspirieren ließ. An ihr läßt sich die besondere Synthese zwischen neugotischer Romantik und Klassizismus, für die Buttels Architektur berühmt geworden ist, exemplarisch studieren.
b) Marktplatz zu Neustrelitz.
Die Ansicht des zentralen Marktplatzes der 1733 gegründeten, nach barockem Muster geplanten Residenzstadt Neustrelitz zeigt den Zustand um 1845, nachdem Baumeister Friedrich Wilhelm Buttel 1828–1831 die Stadtkirche um ihren charakteristischen 52 Meter hohen Turm ergänzt hatte, und vor der Neugestaltung der Stadtmitte mit einem Rondell durch Buttel um 1866. Der Blick geht von Südwesten Richtung Stadtkirche, neben der rechts zwei freistehende zweigeschössige Häuser mit Giebeldächern stehen. Zwischen Kirche und linkem Haus führt die Glambecker Straße zum gleichnamigen See. Am rechten Rand der Darstellung, jenseits der diagonal abgehenden Bruchstraße, ist der klassizistische Neubau des Rathauses erkennbar, das nach etwa zweijähriger Bauzeit 1843 eingeweiht wurde.
c) Neustrelitz
Die Panoramaansicht auf Neustrelitz entstand nach einem Stahlstich von Julius Gottheil, der 1855 als Teil eines Mecklenburgischen Albums veröffentlicht wurde (bezeichnet: J. Gottheil del. und Poppel u. Kurz sc., verlegt bei Bernhard Salomon Berendsohn in Hamburg). Sie zeigt von links nach rechts: die 1732 entstandene Windmühle auf dem Sandberg, die 1746 gebaute Windmühle „vor dem Zierker Tor“, die Stadt mit dem markanten Turm der Stadtkirche, Kornspeicher und erste Fabrikgebäude mit Schornstein als Zeichen der aufkommenden Industrialisierung um den Zierker See. Der hier gelegene Stadthafen war 1840–42 nach Plänen Friedrich Wilhelm Buttels erweitert worden. Dahinter erhebt sich die dichte Bewaldung des Schloßgartens.
d) Großherzogl. Schweizerhaus.
Im idyllischen, zwischen Zinnow und Carpin, etwa 12 km östlich von Neustrelitz, gelegenen Serrahner Wald ließ sich Großherzog Georg von Friedrich Wilhelm Buttel 1833 ein Jagdhaus im Chalet-Stil erbauen. Im aufkommenden Historismus wurde es modern, ältere Bauernhäuser der Schweizer Alpen stilistisch nachzuempfinden, beispielsweise hatte Buttels Lehrer Schinkel kurz zuvor (1829/30) ein erstes solches auf der Pfaueninsel realisiert. Am 6. September 1860 verstarb Georg 81jährig in dem sogenannten Schweizerhaus, seiner alljährlich lang bewohnten Sommerresidenz. Die auf dem Teller gezeigte Darstellung unterstreicht die Idylle des Jagdschlösschens noch durch das weiße Hirschpaar im Vordergrund.
e) Schloß in Charlottenburg.
Die Vorlage für die Porzellanmalerei im Tellerspiegel war ein Ölgemälde des auf Veduten spezialisierten Carl Daniel Freydanck von 1840 (Ausst.Kat. Freydanck, Berlin 1987, Kat. 18, Abb. S. 85, Text S. 95). Es zeigt die Rückseite des Mittelbaus von Schloß Charlottenburg vom Garten aus. Das ab 1695 gebaute Schloß war ursprünglich als Sommerresidenz für Sophie Charlotte, die Gemahlin des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich III. konzipiert (ab 1701 König und Königin in Preußen). Nach dem Tod Sophie Charlottes 1705 erhielt es ihr zu Ehren den Namen Charlottenburg und erfuhr im Laufe der folgenden Jahrhunderte zahlreiche Um- und Anbauten. Die nach dem Gemälde entstandene Porzellanansicht zeigt in frühimpressionistischer Manier den Zustand von 1840.
f) Friedrich II. Denkmal in Berlin.
Das auf seinem Standort vor dem Kaiser-Wilhelm-Palais in der Mitte des Boulevards Unter den Linden in Berlin dargestellte Reiterstandbild Friedrichs des Großen wurde in den Jahren 1839–1851 von Christian Daniel Rauch geschaffen. Es zählt zu den bedeutendsten Denkmälern des 19. Jahrhunderts in der preußischen Hauptstadt und als Meisterwerk der Berliner Bildhauerschule. Die insgesamt 13,50 m hohe Bronze zeigt den König zu Pferd über einem mehrfach gestuften Sockel mit Bildnissen der wichtigsten Feldherren, Staatsmännern, Künstlern und Wissenschaftlern seiner Zeit.