Beschreibung
Johann George Hossauer
Siegerpokal für den
1. Preis im Alexandrinen-Rennen
in Doberan am 19. August 1829
Entwurf Karl Friedrich Schinkel
Ausführung Johann George Hossauer 1829
Silber, gedrückt, gedreht, gegossen, gestanzt, ziseliert, graviert und montiert; teils feuervergoldet
Höhe 38 cm
Gewicht ca. 955 g
Punzen Stadtmarke Berliner Bär mit K im Rund (Scheffler Berlin 14); Meistermarke (Johann George) HOSSAUER BERLIN (Scheffler Berlin 381); 2. Beschaumeistermarke A im Rund (Scheffler Berlin 18) für (B.G.F.) Andreack
Konische Kuppa mit Gravur und aufgelegtem Eichenlaubfries.
Kannelierter Balusterschaft und mit Akanthusblattwerk verzierter Rundfuß.
Deckel mit Pinienknauf.
Gravierte Inschriften:
Kuppa: Alexandrinen-Rennen. Doberan den 19ten August 1829 – 1ter Preis Ertheilt v. I.K.H. d. Erb-Groß-Herzogin d.(em) Robinson v. Robin Hood, Mutter von Y. Pericles, des Herrn Pogge-Zierstorf.
Fuß: 1ter Preis. Pferde Rennen zu Doberan am August MDCCCXXIX.
DER GOLDSCHMIED UND DER ENTWERFER
Johann George Hossauer gilt als der fortschrittlichste, vielseitigste und erfolgreichste Berliner Silberschmid des 19. Jahrhunderts.[1] Als einziger seiner Zunft durfte er ab 1826 den Zusatz Goldschmied Seiner Majestät und das königliche Wappen führen und erhielt in der Folge zahlreiche Aufträge vom preußischen Hof. So fertigte er 1827 das große Tafelservice zu Ehren der Hochzeit des Prinzen Carl von Preußen mit Marie von Sachsen-Weimar, im Jahr darauf folgte für denselben Auftraggeber – der lange Jahre Hossauers treuester Kunde blieb und 1828 sogar Taufpate seiner ersten Tochter wurde – eine Version der berühmten Warwick-Vase. 1829 schuf er ein weiteres Hochzeitsservice für die Festtafel der Hochzeit von Prinz Wilhelm und Augusta, der Schwester Maries.
Zu den künstlerischen Vorlagen, die Hossauer in seiner Werkstatt ausführen ließ, schrieb der Kunsthändler und Hossauer-Kenner Ulrich Gronert 1994:
Vom Beginn seines Schaffens an unterhielt Hossauer freundschaftliche und geschäftliche Beziehungen zu zwei der berühmtesten preussischen Männer des 19. Jahrhunderts, Karl Friedrich Schinkel, dem berühmten Architekten und Entwerfer für Kunsthandwerk, und Peter Christian Wilhelm Beuth, dem Gründer und Leiter der 1821 gegründeten „Technischen Schule“ (1827 umbenannt in „Königlich Preussisches Gewerbeinstitut“) und des „Vereins zur Beförderung des Gewerbefleißes in Preussen“, Schinkel bezeichnete in einem Brief von 1830 Hossauer als „den Goldschmied Hossauer, den geschicktesten und einzigen in Berlin, der die neuesten technischen Hilfsmittel besitze und anwende, und dem ich mehrere Zeichnungen zu Pokalen bereits früher geliefert habe“. Hossauer hatte alle Entwürfe Schinkels für seine Werkstatt gesammelt. 60 Blätter mit diesen Entwürfen für Silberarbeiten, in einem Klebeband mit der Aufschrift „Andenken an Schinkel 1820–1839“ aus dem Nachlaß Hossauers vereinigt, sind im letzten Krieg verloren gegangen, so daß wir leider bei den etwa 200 Pokalen, die Hossauer als Ehrengeschenke angefertigt hat, nur über stilistische Vergleiche, Hossauers Tagebuch oder die Bedeutung der Auftraggeber eine Urheberschaft von Schinkel belegen können. Hossauer hat auch öfter Schinkels Entwürfe variiert oder, ganz im Sinne Schinkels, nur Teile von Entwürfen verwendet. Die meisten Pokale gehen zurück auf einen klassizistischen Pokal von Schinkel, den er in den „Vorbildern für Fabrikanten und Handwerker“, herausgegeben vom Berliner Gewerbeinstitut ab 1821, veröffentlichte (Abt. II Bl. 25).[2]
DER POKAL UND SEINE BEAUFTRAGUNG
Der hier gezeigte Siegerpokal steht exemplarisch für die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Entwerfer Karl Friedrich Schinkel und dem Kunsthandwerker Johann George Hossauer. In der Arbeit zeigt sich der Berliner Klassizismus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Formvollendung. Die elegante Schlichtheit des Modells variiert den Schinkel-Pokal von 1821 durch Weglassen der plastischen Figuren und behutsame Elongierung von Schaft und Kuppa. Diese Straffung weckt Erinnerungen an sakrale Abendmahlskelche, von denen Hossauer zur selben Zeit auch einige fertigt.[3] Den Deckel mit dem aufstrebenden Pinienzapfen kennen wir ähnlich von früheren Doberan-Pokalen. Die applizierten Eichenlaub-, Akanthus- und Lorbeer-Bänder wirken zum einen als dekorativer und allegorischer Schmuck, wie man sie auf einem Preispokal vermuten könnte. Zum anderen zeigen sie aber auch die technische Fortschrittlichkeit der Hossauer’schen Werkstatt, die schablonierte Gussteile in kleinen Serien produzieren konnte.
Einen außer winziger Abweichungen nahezu formidentischen Pokal (ohne Deckel!) hatte Hossauer bereits im Mai/Juni desselben Jahres für das erste Berliner Pferderennen geschaffen, das am 18. Juni noch auf einer improvisierten Rennbahn in Lichterfelde ausgetragen wurde.[4] Der Goldschmied hatte in enger Absprache mit Prinzessin Alexandrine gearbeitet, die auch als Stifterin des Siegerpreises für das Berliner Rennen fungierte. Am 17. Juni 1829, einen Tag vor dem Rennen, notierte er in seinem Tagebuch: by Prinzeß Alexandrine mit dem Pokal für das Berliner Pferderennen.[5] Der Pokal wurde jedoch erst im darauffolgenden Jahr verliehen als das erste Unionsrennen auf dem Tempelhofer Feld stattfand, 1829 hatte es aufgrund von Disqualifikationen keinen Sieger gegeben.[6] Es steht zu vermuten, daß die Erbgroßherzogin hier bereits Hossauer den Auftrag für ihren Doberan-Pokal gab und sich der Goldschmied stilistisch eng an den Berliner Pokal halten sollte.
Alexandrine befand sich zu dieser Zeit länger in der preußischen Hauptstadt, da der gesamte Sommer 1829 von besonderen Festivitäten des Königshauses und des preußischen Adels geprägt war. Zunächst vermählten sich am 11. Juni der zweitälteste Sohn Königs Friedrich Wilhelms III., Prinz Wilhelm von Preußen mit der sächsisch-weimarischen Prinzessin Augusta. Zu diesem Ereignis fertigte die Hossauer-Werkstatt ein umfangreiches Tafelservice. Das Pferderennen am folgenden Wochenende kann als Fortführung der Festlichkeiten gesehen werden, da erneut das gesamte Königshaus anwesend war.
Eine Besonderheit stellte außerdem der Besuch des russischen Zaren Nikolas I., bzw. die Rückkehr seiner Ehefrau Alexandra Feodorowna, geborene Prinzessin Charlotte von Preußen nach Berlin und Potsdam dar. Ihr zu Ehren fand an ihrem 31. Geburtstag, dem 13. Juli 1829, eine dreiteilige Feier vor und im Neuen Palais zu Potsdam statt, die in die Geschichte Preußens als Fest Der Zauber der weißen Rose einging. Neben Rosenzweigen und Rosenorden für die Teilnehmer des Festes und der begleitenden Ritterspiele, schuf Hossauer im Anschluß an diese prunkvollste Hoffestivität, die je in Preußen gefeiert wurde, drei aufwändigst gestaltete, neugotische Prunkpokale für die russische Kaiserin, König Friedrich Wilhelm III. und den Organisator Herzog Carl von Mecklenburg-Strelitz. Den Entwurf zu diesen frühen Meisterwerken Hossauers lieferte ebenfalls Karl Friedrich Schinkel.
DAS ALEXANDRINEN-RENNEN 1829
Der Name Alexandrinen-Rennen bezieht sich auf die Pferdeleidenschaft der Großherzogin Alexandrine von Mecklenburg-Schwerin (1803-1892), eine Tochter König Friedrich Wilhelms III. von Preußen und Königin Luise, seit dem 25. Mai 1822 mit Großherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin verheiratet. Ihr zu Ehren veranstalteten die Gebrüder Gottlieb und Wilhelm von Biel im August 1822 das erste Galopprennen für Vollblüter in Doberan, wo schon seit 1804 Pferderennen auf freiem Feld stattgefunden hatten. Alexandrines Mann wurde erster Präsident des neugegründeten Doberaner Rennvereins. Ab 1827 entstanden dann auch Holztribünen für die immer zahlreicher interessierten Zuschauer und Honoratioren. Die Doberaner Alexandrinen-Rennen gelten als die ersten ihrer Art in Deutschland und auf dem gesamten Kontinent.
Schon ab dem ersten Rennen 1822 überreichte die Namensgeberin dem siegreichen Züchter einen Silberpokal; zumindest ab 1824 ist Johann George Hossauer als Schöpfer des jeweiligen Siegerpreises nach Schinkel-Entwurf gesichert. Noch existente Exemplare aus den Jahren 1824 und 1825 gelangten aus dem Berliner Kunsthandel in das Stadtmuseum Berlin und in Privatbesitz.[7] In seinen Tagebüchern finden sich weitere Ehrengaben für Doberan aus den Jahren 1832, 1852 und 1855.
Sieger im ersten Alexandrinen-Rennen 1829 wurde der dreijährige schwarze Hengst Robinson mit dem Reiter Detmering.[8] Die Renntage im August wurden von einem kundigen Zeitgenossen wie folgt beschrieben:
Das Wetter war der Rennzeit fast noch weniger günstig wie im verflossenen Jahr, und die Rennen wurden durch die von dem fortdauernden Regen erweichte Bahn sehr erschwert. Trotz der ungünstigen Witterung geruhten Se. Königl. Hoheit der allverehrte Großherzog die Rennen zu verschiedenen Malen mit Ihrer Allerhöchsten Gegenwart zu beglücken. Mit inniger Freude sah gewiss wieder jeder Mecklenburger, dass ihre Königl. Hoheit die Frau Erbgroßherzogin jedesmal die Preise AllerhöchstSelbst austheilten (sic!).[9]
Robinsons in der Inschrift des Pokals explizit genannte Besitzer (Christian Johann) Friedrich Pogge(-Zierstorf) (1791-1843) war ein bedeutender Reformator der mecklenburgischen Landwirtschaft und Pferdezüchter, der sich sehr für die Weiterentwicklung der Zucht zwischen englischen und mecklenburgischen Vollblutrassen einsetzte. So ist sein Siegerpferd von 1829 – auch dies in der Gravur so benannt – der Sohn von Robin Hood, einem englischen Vollblut, dessen Vater Muley und dessen Mutter Sorcerer auch bedeutende Rennpferde waren. Die Mutter von Robinson ist auch die Mutter des bedeutenden Rennpferdes Y. Pericles.
[1] Zur weiteren Vertiefung sei die weiterhin maßgebliche und höchst informative Monografie empfohlen: Melitta Jonas, Gold und Silber für den König – Johann George Hossauer (1794–1874) Goldschmied Sr. Majestät, Berlin 1998.
[2] Ulrich Gronert, Johann George Hossauer (1794–1874) „Goldschmied seiner Majestät des Königs, in: Berlin und anderswo, Berlin 1994.
[3] Abb. in Jonas, Nr. 102/103, S. 230/231.
[4] Vgl. Ulrich Gronert, Berlin und anderswo, Berlin 1994, Nr. 13, Abb. auf dem Titelbild.
[5] Zitiert nach Jonas, Nr. 60, S. 164 (hier allerdings mit dem falschen Datum Juli statt Juni).
[6] Zum Rennen und Pokal vgl. ausführlich Jonas, Nr. 60, S. 164–166, Abb. 162.
[7] Vgl. Jonas, 160–164 und Gronert, Nr. 10 und 11.
[8] Mecklenburgs Pferde-Rennen. 1829, 28. Digital unter: https://www.digitalesammlungen.de/de/view/bsb10298247?page=30, abgerufen am 9. September 2024.
[9] Mecklenburgs Pferde-Rennen. 1829, 31.