Johann George Hossauer, Deckelpokal auf König Friedrich Wilhelm IV. um 1841

Beschreibung

Deckelpokal mit Medaille auf die Huldigung der preußischen Stände vor
König Friedrich Wilhelm IV. zu Königsberg und Berlin 1840

Johann George Hossauer (1794–1874)
Berlin zwischen 1840 und 1842

Aus dem ehemaligen Besitz des Kaufmanns und Danziger Ratsherren
Friedrich Anton Johann Jüncke (1809–1860)

Höhe 34 cm; Gewicht 870 g
Silber, gedrückt, gestanzt, geprägt, montiert, graviert, innen vergoldet
Punzen Meistermarke HOSSAUER BERLIN, Stadtmarke Berlin Bär mit K im Kreis (Beschaumeister J.C.S. Kessner 1819-1854), A (zweiter Beschaumeister B.G.F. Andreack 1819-1842) (Scheffler 14 und 19) und Feingehaltsmarke 12 Löth: (Scheffler 25 b)

 

Historische Hintergründe des Pokals

Die eingesetzte Medaille und die Gravuren auf der Wandung stellen den Pokal in einen persönlich-royalen Zusammenhang mit dem 1840 zum König von Preußen gekrönten Friedrich Wilhelm IV. und dem angesehenen Danziger Kaufmann Friedrich Anton Johann Jüncke.

Medaille
Carl Heinrich Lorenz (1810–1888) 1840
Silber, gestempelt
Durchmesser 41 mm
Slg. Marienburg 2583. Olding 508.

Darstellung:
Im Spiegel Ansicht des Regenten, der in vollem Ornament auf seinem Thron sitzt und die Huldigung der vor ihm knienden Borussia, der Personifikation der preußischen Stände, empfängt.

Umlaufender Text:
ICH WILL EIN GERECHTER RICHTER EIN TREUER SORGFAELTIGER BARMHERZIGER FUERST EIN CHRISTLICHER KOENIG SEIN –
ZUR FEIER DER HULDIGUNG KÖNIGSBERG. D. 10 SEPT. BERLIN D 15 OCT. 1840

Der Text stammt aus der Erwiderung des Königs auf den von den Abgesandten der Stände und Deputierten des Reichs geleisteten Treueeid auf den neuen König.

Die Medaille wurde vom jungen Medailleur (Carl) Heinrich Lorenz zur Erinnerung an die Huldigung des neuen preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. durch die preußischen Stände in Königsberg und Berlin im Herbst 1840 gestaltet.[1] In Königsberg, wo sich bereits Friedrich I. zum ersten König in Preußen hatte krönen lassen, hatte diese alte Tradition bereits am 10. September 1840 stattgefunden. Die weit größere und prächtigere Krönungsfeier wurde dann am 15. Oktober vor dem Berliner Stadtschloß und im angrenzenden Lustgarten veranstaltet, wobei die Erbhuldigung erneut Teil des Krönungsrituals war. Dieses Spektakel wurde von Franz Krüger in einem großen Ölgemälde festgehalten, das er 1843 vollendete.

Gravuren
links und rechts seitlich der Medaille:
Mein König —- trank daraus!
Auf dem Deckel:
Friedrich Anton Johann Jüncke
Danzig, den 3ten Juni 1843.

Die Inschriften auf Deckel und Cuppa erinnern an den Besuch des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. in Danzig, der Hauptstadt des gleichnamigen preußischen Regierungsbezirks im Frühsommer 1843. Am 3. Juni des Jahres war er im Rathskeller eingekehrt, einem prächtigen Weinlokal in den Gewölben des alten Rathauses. Dessen Mitbetreiber, der bekannte Weinhändler und Gastronom Friedrich Anton Johann Jüncke (ab 1848 auch Ratsherr der Stadt Danzig) ließ den König aus dem hier vorgestellten Deckelpokal trinken und diesen im Anschluß in ehrenvoller Erinnerung gravieren.

Es kann davon ausgegangen werden, daß Jüncke, der als angesehener Kaufmann auch eine umfangreiche Kunstsammlung sein Eigen nennen konnte, den Pokal als Beweis der Treue gegenüber seinem neuen König Friedrich Wilhelm IV. 1840–42 bei Hossauer in Berlin in Auftrag gegeben hatte. Eine spätere Huldigungsecke in seiner Weinhandlung, bzw. seiner großzügigen Gaststätte weist ihn als ausgesprochen zuverlässigen preußischen Royalisten aus. Jünckes Persönlichkeit und sein erfolgreicher Geschäftssinn führten wenig später auch zu einer besonderen Auszeichnung durch seinen König. Im Herbst 1845 war in der Privilegierten Schlesischen Zeitung zu lesen: Berlin, 10. September – Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, […] den Weinhändlern Martin Friedrich Lierau und Friedrich Anton Jüncke zu Danzig das Prädikat: Königliche Hof-Lieferanten, zu verleihen.[2]

Hossauers Deckelpokal

Das Modell dieses Trinkpokals mit Deckel (Deckelpokal König Friedrich Wilhelm IV.) entwarf der einzige offizielle Berliner Goldschmied Seiner Majestät Johann George Hossauer um 1840 und verwendete ihn in der folgenden Dekade mehr als einmal. Ein weiteres, in einigen Nuancen unterschiedlich gestaltetes Exemplar führte er 1845 für den Direktor des Culmseer Aktien-Vereins aus.[3] Jonas beschreibt diesen Pokal wie folgt: Der Aufbau des Pokals mit einem kurzen Schaft, ausgeprägtem Nodus und sehr großer Cuppa läßt an den Gefäßtypus denken, wie er seit der Mitte des 16. Jahrhunderts vor allem in den Niederlanden häufig anzutreffen war. Beim vorliegenden Stück sind allerdings – infolge einer historistischen Umsetzung – der runde Fuß, der Schaft und der Cuppa-Ansatz scharfkantig profiliert.[4] Spätestens nach dem Tode Schinkels 1841, zum Teil auch schon zuvor, entwickelte die gesamte Berliner Kunstgewerbewelt eine Tendenz in Richtung eines aufkommenden Historismus. Die stilisierte Pflanzen-Ornamentik der Friese und die Deckelgestaltung des hier vorgestellten Pokals erinnern aber auch noch an frühere klassizistisch geprägte Arbeiten Hossauers. Der obere Weinlaub- und Traubenfries verweist zum einen auf die Verwendung des Objekts als Weintrinkgefäß, zum zweiten aber auch auf die Profession des Auftraggebers F. A. J. Jüncke, der sich als Groß- und Einzelhändler von Wein und Spirituosen und Inhaber des berühmtesten (Wein-) Lokals in Danzig einen über seine Wahlheimat hinaus reichenden Ruf erworben hatte (siehe unten).

Im Vorfeld und im Nachgang der Krönung des neuen Preußenkönigs Friedrich Wilhelm IV. hatte Johann George Hossauer wichtige höfische Aufträge erhalten:[5] So führte er im Verbund mit weiteren Modelleuren, Ziseleuren, Graveuren, Gießern und Juwelieren den von Wilhelm Stier und August von Kloeber entworfenen Huldigungsschild für den König und seine Frau Elisabeth aus, desweiteren einen prächtigen Tafelaufsatz mit einer Caritas-Figur, die beide einen Standort im Rittersaal des Berliner Stadtschlosses erhielten. Außerdem fertigte der Goldschmied Seiner Majestät einen Deckelhumpen mit einer anderen, 1840 von Karl Fischer und Christoph Carl Pfeuffer entworfenen Huldigungsmedaille zur Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV., möglicherweise als eigenes Geschenk an den neuen König.[6]


Der Auftraggeber F. A. J. Jüncke

Friedrich Anton Johann Jüncke wurde am 11. Januar 1809 in Lübeck geboren und starb am 5. September 1860 als angesehener Kaufmann und Ratsherr in seiner Wahlheimat Danzig.[7] Mit seiner Frau Evelina Violanda, geb. Wolff aus Danzig-Brętow, die er am 18. August 1833 in der Kirche der Heiligen Jungfrau Maria heiratete, hatte er insgesamt sieben Kinder.

Der Sohn eines Schneiders kam auf Einladung seines Onkels Anton Christoph Jüncke, Pächter des bekannten, unter dem Artushof gelegenen  Weinlokals „Rathskeller“, nach Danzig. 1833 eröffnete er zusätzlich einen Weingroß- und -einzelhandel, in den er das Vermögen seines Onkels nach dessen Tod 1835 einbrachte. Er übernahm nun die Schankräume in den Gewölben des Hauptrathauses und führte das Geschäft bis Dezember 1852 gemeinsam mit Martin Friedrich Lierau, zunächst als „M.F. Lierau & Co.“, ab 1. Januar 1842 als „Lierau und Jüncke“.

Nach dem Tod seines Geschäftspartners 1852 war er ab dem 1. Februar 1853 alleiniger Inhaber der Firma, behielt den alten Namen aber zunächst bei. Am 31. März 1855 schloss er einen Vertrag mit seinen Erben und änderte den Namen der Firma in „F.A.J. Jüncke“.

Im Rathskeller empfing er am 3. Juni 1843 den preußischen König Friedrich Wilhelm IV., am 21. Juni 1854 dessen späteren Nachfolger und ersten Deutschen Kaiser Wilhelm I. und am 22. Juni 1855 den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, den späteren Kaiser Friedrich III.

Ab 1846 war Jüncke als bekannter Kunstsammler Mitglied der Gesellschaft der Kunstfreunde, von 1848 bis 1860 gehörte er dem Danziger Stadtrat an. Von 1843 bis zu seinem Tod lebte er in seinem Mietshaus in der Jopengasse 60 (Piwna 21), das seine Erben übernahmen. Er war einer der Erben seines Partners Martin Friedrich Lierau und übernahm dessen Mietshaus in der Jopengasse 47 (Piwna Street), das seine Witwe wiederum an den Kaufmann Johann Hermann Stobbe, Inhaber der Getreidehandelsfirma „Haaselau & Stobbe“, verkaufte.

Friedrich Anton Johann Jüncke erlitt am 5. September 1860 einen Schlaganfall, an dessen Wirkung er starb. Nach seinem Tod wurde das Geschäft von seiner Witwe und dem älteren Sohn Albert Theodor weitergeführt. Ein weiterer Sohn Friedrich Wilhelm wurde 1867, nachdem er 25 Jahre alt geworden war, Mitinhaber der Firma, später machte er sich als Notensammler einen Namen. Sohn Louis Eduard war zu dieser Zeit ebenfalls Mitinhaber, später leitete er die Filiale in Königsberg und wurde in Baden-Baden ein bekannter Kunstmäzen. Sohn Gustav Bernhard, verheiratet mit Gertruda Laura, geb. Fischer, Weichselstraße 2 (Starowislna-Straße), kaufte vom Erbe seines Vaters das Gut Klein Golmkau (Gołębiewko bei Pruszcz), wo er bis zu seinem Tod lebte und Landwirtschaft betrieb. Seine Tochter Marie wurde am 20. März 1854 mit dem Kaufmann Heinrich Emil Rovenhagen, Besitzer eines Mietshauses in der Langgasse 81, verlobt. Die zweite Tochter, Bertha Louisa heiratete im Mai 1860 in der Marienkirche den Sohn des ehemaligen Geschäftspartners ihres Vaters, Herman Lierau und ging mit ihm nach Königsberg, als Witwe kehrte sie später nach Danzig zurück.


[1] Für eine umfangreiche zeitgenössische Zusammenfassung der Ereignisse vgl. Friedrich Berendt (Hrsg.), Preußens Huldigung Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. in Königsberg und Berlin, Emmerich 1841.

[2] Privilegierte Schlesische Zeitung (= Breslauer Zeitung), No. 213 vom 12. September 1845, 1.

[3] Vgl. Melitta Jonas, Gold und Silber für den König – Johann George Hossauer, Goldschmied Sr. Majestät des Königs, Berlin 1998, Nr. 76, S. 184.

[4] Jonas, ebenda.

[5] Vgl. Jonas, Nr. 55/56, S. 135–141.

[6] Vgl. Jonas, Nr. 56, S. 141 und Ulrich Gronert, Berlin und Anderswo. Europäisches Kunsthandwerk von 1750 bis 1950, Berlin 1994, 17.

[7] Vgl. seine Biografie unter: https://gdansk.gedanopedia.pl/gdansk/?title=J%C3%9CNCKE_FRIEDRICH_ANTON_JOHANN,_kupiec,_radny, abgerufen am 6. Dezember 2024.